Tschechien, Tschechoslowakei, Pro-Atom, Atom-Ausbau, Temelin, Dukovany, Laufzeitverlängerung, Hochrisikoreaktor
• 6 aktive Reaktoren an zwei Standorten (Temelin, Dukovany)
• Kein Atomausstieg, neue Reaktoren sind geplant
• Stromerzeugung 2018 aus
» 54% Fossile Brennstoffe (50% Kohle, 4% Gas)
» 34% Atomenergie
» 12% Erneuerbare Energie (5% Biomasse, 3% Solar, 3% Wasser, 1% Wind)
Geschichte
In der ehemaligen Tschechoslowakei (heute Slowakei) geht
1972 das erste AKW in Betrieb. Nach zwei schweren Zwischenfällen wird das AKW jedoch 1977 schon wieder geschlossen. Zwischen
1985-1987 gehen vier Reaktoren in
Dukovany ans Netz,
2000/2002 zwei Reaktoren in
Temelín. Beide AKW sind nicht weit von der österreichischen Grenze entfernt.
Endlagersuche
In Tschechien wird in Dukovany seit 1985, in Temelin seit 2000 Atomstrom produziert, die Endlagersuche wird erst um 2004 gestartet. Bis
2025 soll ein Standort für ein Endlager feststehen, Baubeginn ist für 2050, Fertigstellung für 2065 geplant.
Im Sommer 2020 werden von 9 möglichen Endlagerstandorten auf 4 reduziert. Schon öfter wurden Standorte reduziert und geändert, immer sehr
plötzlich und nach
nicht nachvollziehbaren Kriterien.
Wie die AKW in Tschechien liegen auch die möglichen Endlagerstandorte sehr nahe an der österreichischen Grenze.
» mehr zur aktuellen Lage in Tschechien gibt es immer wieder in unserer Radiosendung (Juni 2020: Endlagersuche, Februar 2021: Dukovany)
Proteste
Seit Baubeginn von Temelín gibt es
lokale Proteste, ganze Orte werden für den Bau des AKWs umgesiedelt. Proteste werden vom
kommunistischen Regime unterdrückt.
Erst mit der Grenzöffnung
1989, als der Bau von Temelín auch in den Nachbarländern bekannt wird, gibt es wieder
vermehrt Proteste gemeinsam mit Österreich und Deutschland - viele Protestaktionen, Demonstrationen, Blockaden am AKW-Gelände und an den Grenzen.
Eine der größten Protestaktionen findet 1991 in Temelín statt, bei der fast 10.000 Menschen demonstrieren. So kann der Bau des 3. und 4. Reaktors in Temelín vorerst verhindert und die Inbetriebnahme des 1. und 2. Reaktors stark verzögert werden.
Auch die österreichische Politik ist sehr aktiv (Veto-Drohung gegen den EU-Betritt Tschechiens, 2000 "Melker Prozess", 2002 Volksbegehren der FPÖ mit >900.000 Unterschriften).
Trotzdem geht Temelín letztendlich - auch wenn mit einiger Verzögerung - 2000 bzw. 2002 in Betrieb.
Ausstieg vs. Ausbau
Für Tschechien ist ein Atomausstieg kein Thema. Stattdessen wird am
Bau neuer Reaktoren an beiden Standorten (Temelín und Dukovany) geplant, für Dukovany wurden
Laufzeitverlängerungen auf unbestimmte Zeit beschlossen. In Zukunft will Tschechien den
Atomstromanteil auf 50 % ausbauen und die Abwärme-Nutzung verbessern.
Dukovany-Ausbau
Der geplante Ausbau inkl. Finanzierungsmodell am Standort Dukovany wird 2020 endgültig von der Regierung genehmigt. Den Großteil - 70 % - der Baukosten wird der Staat tragen, der Kredit an Betreiberfirma CEZ ist bis zur Inbetriebnahme zinsenfrei, Kostenüberschreitungen werden Steuerzahler_innen und Stromkund_innen tragen müssen. Baubeginn soll 2029 erfolgen.
Störfälle und Katastrophen
Laufend kleine und größere Störfälle, Dukovany gilt allgemein als Hochrisikoreaktor.
Zuletzt gab es in Dukovany im
November 2017 eine
Notabschaltung - kurz nach einer mehrmonatigen Betriebs- und Kontrollpause im Sommer und im
Jänner 2018 eine Abschaltung für Reparaturen an einem Notstrom-Dieselgenerator. Weitere ähnliche Zwischenfälle an Dukovany-Reaktoren gibt es auch November 2018 und Juni/Juli 2019.
Im
Mai 2020 fährt ein Reaktor in Temelín kurz nach Wiederinbetriebnahme nach einer Wartungsphase wegen einer Störung automatisch herunter.
Eine gute Zusammenfassung über die Lage in Tschechien gibt es auch hier
» Video-Aufzeichnung von der NEC 2019
» Aktuelle Meldungen aus Tschechien
Probleme
• Sehr wenig erneuerbare Energien, größter Energieträger ist Braunkohle
• Tschechien plant die Atomenergie weiter auszubauen
• Alle Reaktoren in Dukovany sind Hochrisikoreaktoren
• In der tschechischen Bevölkerung gibt es großen Widerstand gegen die Endlagersuche, jedoch nicht gegen Atomkraft.
• Hochriskante Laufzeitverlängerungen: Mit 2017 wurde für alle vier Reaktoren in Dukovany die Laufzeit auf unbegrenzte Zeit verlängert. Die Laufzeitverlängerung für Temelin steht kurz vor der Genehmigung.
Mehr Infos und Quellenangaben:
• Aktuelle Meldungen aus Tschechien auf www.atomstopp.at
• Allg. Infos - Atomindustrie, Englisch (IAEA)
• Allg. Infos - kritisch, Deutsch (Global2000)
• Geschichte Temelín, Deutsch (Radio Praha)
• Geschichte des tschechischen Widerstands, Englisch
• Energiestatistik, Englisch (IEA)
Foto: AKW Temelin, ©
Vadim Mouchkin / IAEA
Informationsstand 02/2021