Tschechien

Tschechien, Tschechoslowakei, Pro-Atom, Atom-Ausbau, Temelin, Dukovany, Laufzeitverlängerung, Hochrisikoreaktor

  • 6 aktive Reaktoren an zwei Standorten (Temelín, Dukovany)
  • Kein Atomausstieg; neue Reaktoren und ein SMR-Experimentier-Park ("South Bohemian Nuclear Park") sind geplant
  • Stromerzeugung 2023 aus
    • 44% Fossile Brennstoffe (39% Kohle, 5% Gas)
    • 39% Atomenergie
    • 16% Erneuerbare Energie (7% Biomasse, 4% Solar, 4% Wasser, 1% Wind); 1% andere
  • 77,3 TWh Eigenproduktion, 22,7 TWh Stromexporte, 13,5 TWh Stromimporte 1

Geschichte 2


In der ehemaligen Tschechoslowakei (heute Slowakei) geht 1972 das erste AKW in Betrieb. Nach zwei schweren Zwischenfällen wird das AKW jedoch 1977 schon wieder geschlossen. Zwischen 1985-1987 gehen vier Reaktoren in Dukovany ans Netz, 2000/2002 zwei Reaktoren in Temelín. Beide Standorte sind nicht weit von der österreichischen Grenze entfernt.

Endlagersuche
In Tschechien wird in Dukovany seit 1985, in Temelín seit 2000 Atomstrom produziert, die Endlagersuche wird erst um 2004 gestartet. Laut ursprünglichem Zeitplan sollte 2025 der Standort für das Endlager feststehen, Baubeginn 2050 und Fertigstellung 2065 erfolgen. Mögliche Standorte wurden mehrmals reduziert und geändert, immer sehr plötzlich und nach nicht nachvollziehbaren Kriterien. Aktuell (Sommer 2025) gibt es 4 mögliche Endlager-Standorte, die Probebohrungen sollen demnächst beginnen. In den ausgewählten Gemeinden gibt es seit Beginn starke Proteste gegen die Endlagerung von Atommüll.
Wie die tschechischen AKWs liegen auch alle möglichen Endlagerstandorte sehr nahe an der österreichischen Grenze.
atomstopp unterstützt jeden Sommer den Endlager-Protestmarsch Pacejov/Manovice und organisiert einen kostenlosen Bus nach Tschechien. Alle sind eingeladen, diese Aktion zu unterstützen, Infos unter [email protected].

SMR - Smart Marketing Reactors in Temelin als AKW-Experiment
Seit September 2022 plant die tschechische Regierung nicht nur weitere Reaktoren im nur 50 km von der österreichischen Grenze entfernten Temelín, einen möglichen Standort für ein Atommüllendlager und den sogenannten Südböhmischen Nuklearpark (South Bohemian Nuclear Park) als Experimentiergelände für SMRs (Small Modular Reactors).

Geforscht wird an SMR bereits seit den 1950ern, sie werden jedoch wie viele andere "neue" Reaktorkonzepte weder in absehbarer Zeit einsatzbereit sein, noch in der erforderlichen Stückzahl gebaut werden können. Sie wären viel zu gefährlich, zu teuer und würden noch mehr Atommüll hinterlassen. Deshalb nennen sie das Netzwerk österreichischer Anti-Atom-Organisationen (ÖNA) richtigerweise Smart Marketing Reactors. Mehr zu SMR: www.atomstopp.at/smr

Proteste
Seit Baubeginn von Temelín gibt es lokale Proteste, ganze Orte werden für den Bau des AKWs umgesiedelt. Proteste werden vom kommunistischen Regime unterdrückt.
Erst mit der Grenzöffnung 1989, als der Bau von Temelín auch in den Nachbarländern bekannt wird, gibt es wieder vermehrt Proteste gemeinsam mit Österreich und Deutschland, etwa Protestaktionen, Demonstrationen, Blockaden am AKW-Gelände und an den Grenzen.
Eine der größten Protestaktionen findet 1991 in Temelín statt, bei der fast 10.000 Menschen demonstrieren. So kann der Bau des 3. und 4. Reaktors in Temelín vorerst verhindert und die Inbetriebnahme des 1. und 2. Reaktors stark verzögert werden.

Auch die österreichische Politik ist sehr aktiv (Veto-Drohung gegen den EU-Betritt Tschechiens, 2000 "Melker Prozess", 2002 Volksbegehren der FPÖ mit über 900.000 Unterschriften 3). Trotzdem gehen 2 Reaktoren in Temelín letztendlich - auch wenn mit einiger Verzögerung - 2000 bzw. 2002 in Betrieb.
Breitere Proteste in Tschechien beschränken sich hauptsächlich auf die Endlagersuche, Atomkraft allgemein hat nach wie vor einen sehr starken Rückhalt in der tschechischen Bevölkerung.

Ausstieg vs. Ausbau


Für Tschechien ist ein Atomausstieg kein Thema. Stattdessen ist der Bau neuer Reaktoren an beiden Standorten (Temelín und Dukovany) geplant, für Dukovany wurden Laufzeitverlängerungen auf unbestimmte Zeit beschlossen. In Zukunft will Tschechien den Atomstromanteil auf 50 % ausbauen und die Abwärme-Nutzung verbessern.
Im Juni 2025 werden die Verträge für den Dukovany-Neubau mit der südkoreanischen KHNP unterzeichnet. Chaos und Verzögerungen gibt es jedoch bereits lange vor Baubeginn: Undurchsichtige Planungsänderungen, internationale Klagen, mehrfache Einsprüche, geheime Einigungen und Versprechen, ...
atomstopp berichtete: Desaster bei AKW-Neubauplänen in Dukovany schon vor Vertragsunterzeichnung vorhersehbar, Mai 2025 und Panische Vertragsunterzeichnung, Juni 2025

Störfälle und Katastrophen


Laufend kleine und größere Störfälle, ungeplante Abschaltungen passieren jährlich. 4
Im Mai 2020 fährt ein Reaktor in Temelín kurz nach Wiederinbetriebnahme nach einer Wartungsphase wegen einer Störung automatisch herunter.
2024 gibt es in Temelín mehrere Störfälle und Notabschaltungen. 5

Probleme


  • Sehr wenig Erneuerbare Energie, größter Energieträger ist Kohle und Atomenergie
  • Tschechien plant den Ausbau der Atomenergie
  • Alle Reaktoren in Dukovany sind Hochrisikoreaktoren. Sie haben kein Containment, eine Schutzhülle aus Stahl und Beton, die austretende Radioaktivität bei schweren Unfällen zurückhält (die Unglücksreaktoren von Tschernobyl und Fukushima hatten ebenfalls kein Containment) und sind länger als 40 Jahre in Betrieb.
  • In der tschechischen Bevölkerung gibt es großen Widerstand gegen die Endlagersuche, jedoch nicht gegen Atomkraft.
  • Hochriskante Laufzeitverlängerungen: Mit 2017 wurde für alle vier Reaktoren in Dukovany die Laufzeit auf unbegrenzte Zeit verlängert. Ebenso die beiden Reaktoren in Temelín (2020 bzw. 2022). 6

Mehr Infos und Quellenangaben:
» Die Lage in Tschechien ist auch immer wieder Thema bei der Nuclear Energy Conference (z.B. im Jahr 2024 und 2022)
» Aktuelle Meldungen aus Tschechien auf www.atomstopp.at
» Infos zu SMR und dem geplanten South Bohemian Nuclear Park in Tschechien
» Tschechien-Schwerpunkt im World Nuclear Industry Status Report 2024, S 86 (Englisch)

1 Stromproduktion in Tschechien |IEA (Englisch), aufgerufen 06/25
2 Brief History of the Anti-Temelin Movement bis 1997 (Englisch), aufgerufen 06/25, AKW Temelín trotz Protesten im Vollbetrieb (2016) | Radio Prague International, aufgerufen 06/25
3 Volksbegehren 'Veto gegen Temelin' (2002) | BMI, aufgerufen 06/25
4 Länderinfos und Störfälle | Global 2000, aufgerufen 06/25
5 Störfälle 2024 | Krone.at, aufgerufen 06/25
6 Laufzeitverlängerung Temelín | World Nuclear (Englisch), aufgerufen 06/25

Foto: So könnte ein SMR in Temelín ausschauen, © CEZ.cz

Informationsstand 06/2025

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