Die EU-Taxonomie-Verordnung war geplant als Kriterienkatalog für nachhaltiges Wirtschaften, für grüne Investments. Gestartet mit 2018 sollte ein Finanzierungsmotor für den ‚Green Deal’ kreiert werden, um so in Europa den Umbau hin zu einer nachhaltigen, sicheren, erneuerbaren Energieversorgung zu stimulieren. Auch ‚Green Washing’, also das versteckte Unterjubeln von nicht nachhaltigen Finanzprodukten unter dem Deckmantel des Klimaschutzes sollte damit verhindert werden.
Sechs Umweltziele wurden dazu definiert:
Um nun zu beurteilen, ob eine Wirtschaftstätigkeit als Beitrag zu einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung im Sinne des Geern Deals geltend gemacht werden darf, wurden folgende Kriterien festgelegt:
Sicher nicht; allein das DNSH-Prinzip widerspricht der Qualifizierung. Wo mit latenten und potenziellen Strahlenschäden zu rechnen ist und auf jeden Fall die ungelöste Verbringung radioaktiver Abfälle im Raum steht, ist es schon einigermaßen Vermessen, davon zu sprechen, keinen-signifikanten-Schaden anzurichten. Auch gelten die angeführten Standards in der Produktion bei genauerem Hinsehen nur auf EU-Boden – Verwüstungen und Vergiftungen beim Uranabbau werden also einmal mehr aus der Bilanz hinausgeschummelt.
Dass Atomkraft – und auch Erdgas – nicht in diesen Kriterien-Katalog passen können, war eigentlich allen klar: Expert_innen aus der Energiebranche, der Umweltökonomie oder der Sicherheitsforschung warnten ebenso wie Finanzdienstleister davor, Atom und Gas in die Verordnung aufzunehmen. Die vorauseilende Skepsis war berechtigt.
Nach einem ersten Entwurf für die Taxonomie-Verordnung, der Atomkraft nicht explizit enthielt, nach einer öffentlichen Konsultation, an der alle namhaften europäischen NGOs teilnahmen, ist es den Atom-Lobbyisten unter Führung der französischen Nuklearmarionette, dem Präsidenten Macron, mit heftigen Interventionen gelungen, der Kommission einen Pro-Atom-Kompromiss abzuringen. Kurz vor Mitternacht zum 1. Jänner 2022 legte EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen einen entsprechend adaptierten Vorschlag vor.
Die nötige Mehrheit im Europäischen Rat war bereits abgekartet, nur das EU-Parlament hätte den verfehlten Gesetzesentwurf noch abwenden können. Viele ambitionierte Abgeordnete aus verschiedensten Fraktionen versuchten ihr Möglichstes. Auch zahlreiche Expert_innen sowie Organisationen aus zivilgesellschaftlichen Bereichen mobilisierten – atomstopp war eine davon.
Im ständigen Austausch mit anderen NGOs aus ganz Europa, wurden verschiedene Aktionen gestartet, u.a. Mitmachaktionen, offene Briefe, Presseaussendungen in den Jahren '21 und '22, Radiobeiträgen, eine Mailingaktion – Abgeordnete zum EU-Parlament wurden regelmäßig mit kurzen Informations-Mails „geflutet“. In diesen „Shortmails“ wurden sie von uns und unseren Unterstützer_innen mit Argumenten versorgt, warum Atomkraft niemals nachhaltig sein kann, und sollten dazu bewegt werden, bei der finalen Abstimmung gegen eine Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie-Verordnung zu stimmen.
» Zu den ShortmailsAllen Bemühungen zum Trotz ist es nicht gelungen, in der entscheidenden Abstimmung im Juli 2022 die nötige Mehrheit von 353 Abgeordneten für eine Ablehnung zu gewinnen. Künftig dürfen Atomstrom und Erdgas als nachhaltig verkauft werden.
Brisantes Detail: Im Gegensatz zu diesem finalen, fatalen Votum im EU-Parlament hatte die gemeinsame Abstimmung in den spezifisch betrauten Fachausschüssen für Wirtschaft (ECON) bzw. Umwelt (ENVI) sehr wohl eine Zurückweisung des Kommissions-Vorschlags ergeben.
Eine, wenn auch begrenzte Hoffnung bleibt noch: Unter Anderen hat auch die Republik Österreich wegen der atomverseuchten Taxonomie-Verordnung vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Kommission erhoben. Es wird ein langwieriger Prozess werden, dazu noch ohne aufschiebende Wirkung. Mit 1. Jänner 2023 ist die Taxonomie-Verordnung in Kraft getreten. Sind die Klagen nicht erfolgreich, bleibt nur, gut aufzupassen, wo und wie man sein Erspartes veranlagt – um nicht womöglich ausgetrickst und so zum privaten Atomsponsor gemacht wird!