atomstopp: Temelin-Ausbau - Einwendung an tschechische Politiker_innen
02.09.10 - Adressaten - Präsident Václav Klaus, Premierminister und Vorsitzender der ODS Petr Nečas, Präsidentin der Abgeordnetenkammer Miroslava Němcová, Präsident des Senats Přemysl Sobotka, Vorsitzender der Sozialdemokraten Bohuslav Sobotka, Vorsitzender von TOP09 Karel Schwarzenberg, Vorsitzender der Kommunisten Vojtěch Filip, Vorsitzender Öffentlicher Angelegenheiten Radek John, tschechisches Umweltministerium.
Einwendung gegen die Erweiterung des AKW Temelin um zwei weitere Atomreaktoren
Atomkraft löst keine Probleme - auch nicht die des Klimawandels. Atomkraft ist Teil des Problems. Teil eines rückständigen Wirtschaftssystems.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bedauern müssen wir neuerlich zur Kenntnis nehmen, dass die verantwortlichen Politiker in der Tschechischen Republik gerne bereit sind, für das Atomkraftwerk Temelin besondere Maßstäbe anzulegen.
Schon die bestehenden Reaktorblöck Temelin 1 und 2 sind ein Sicherheitsrisiko, war man doch besonders erfindungsreich, was die Interpretation und Anwendung von französischen Atomstandards auf die technische Auslegung der hochenergetischen Leitungen auf der 28,8m-Bühne betraf. Dass die internationalen Experten bei allen bilateralen Sicherheitsgesprächen das als nicht zulässig bewerteten und somit aus dem mit Österreich paktierten Brüsseler Abkommen aus dem Jahr 2001 auch nach fast 10 Jahre immer noch die gravierendsten Sicherheitsbedenken gegen das AKW Temelin bestehen, wird lässig bei Seite gewischt.
Man hatte übrigens auch keinerlei Skrupel, sieben Jahre nach Abschluss des Brüsseler Abkommens die Rechtverbindlichkeit dieses Abkommens einfach zu leugnen. Offenbar war dieses Leugnen der Rechtsverbindlichkeit des Brüsseler Abkommens die einzige Möglichkeit für Tschechien, sich vor einer drohenden Völkerrechtsklage durch die Republik Österreich wegen Bruch des Brüssler Abkommen zu retten.
Unmittelbar nach Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union - also im Jahr 2006 (!) - hat jedenfalls die EU-Kommission festgestellt, dass die tschechischen UVP-Vorschriften das Recht der Öffentlichkeit, ihren Anspruch auf Beteiligung an UVP-Verfahren einzuklagen, in unangemessener Weise einschränken. Bereits im Jahr 2006 wurde daher durch die EU-Kommission auch ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen wesentliche EU-Rechtsvorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) von Projekten eingeleitet.
Anstatt aber das tschechische UVP-Gesetz den EU-Bestimmungen sofort anzupassen, wurde mit Hochdruck an den Vorbereitungen zum Ausbau des AKW Temelin um zwei weitere Reaktorblöcke gearbeitet und im Jahr 2008 die Umweltverträglichkeitsprüfung eingeleitet. Im Wissen, dass für bereits laufende Verfahren "natürlich" die EU-widrigen UVP-Vorschriften zur Anwendung kommen werden - mit den eingeschränkten Verfahrensrechten für die Öffentlichkeit.
Damit setzen die tschechischen Politiker bei der Erweiterung von Temelin um die Reaktorblöcke 3 und 4 dort fort, wo sie bei den Reaktorblöcken 1 und 2 angefangen haben: Für das tschechische Liebkind AKW Temelin gilt es, einen offenbar großen und möglichst wenig einschränkenden Interpretationsspielraum zu erhalten - technisch und auch rechtlich.
Es mag für Sie nun wenig überraschend sein: gegen die Erweiterung des AKW Temelin um zwei weitere Reaktorblöcke gibt der Vorstand des Vereins atomstopp_atomkraftfrei leben! hiermit - stellvertretend für die 1.000 Mitglieder des Vereins - seine Einwendungen ab:
Bereits der Abbau von Uran belastet die Umwelt in inakzeptabler Weise und ruiniert oftmals die Lebensgrundlage von indigenen Völkern. Tschechien verfügt über keine ausreichenden Uranreserven, um daraus Brennstäbe herstellen zu lassen. Die Brennstäbe für die derzeit betriebenen Atomkraftwerke Temelin und Dukovany müssen aus Russland importiert werden.
Strahlenbelastungen durch den laufenden Betrieb von Atomkraftwerken können auch schon in geringsten Dosen Krebs auslösen. Zahlreiche Studien verweisen auf den Zusammenhang Kinderkrebs und räumliche Nähe zu Atomkraftwerken.
Weltweit - auch nicht in der Tschechischen Republik - gibt es keine Lösung für die notwendige Jahrtausende dauernde Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle. Internationale Experten gehen davon aus, dass für die Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle ein Endlager konzipiert werden muss, das für eine Million Jahre "gesichert" ist.
Unbestritten ist die Gefahr der militärischen Verbreitung der radioaktiven Materialien!
Unbestritten ist auch die potentielle Gefahr, die Atomkraftwerke als Ziele für terroristische Angriffe darstellen!
Unbestritten ist, dass im Fall eines atomaren Unfalls eine weiträumige - auf Jahre und Jahrzehnte - andauernde Verseuchung droht.
Wir fragen uns: wozu all diese Risiken in Kauf nehmen? Warum die Bevölkerung in Tschechien, in Österreich, in Deutschland, in Mitteleuropa einer atomaren Gefährdung aussetzen? Warum setzt die Tschechische Republik auf eine Risikotechnologie mit unlösbaren Problemen? Atomkraft deckt weniger als 3% des weltweiten Energiebedarfs. Atomkraft ist auf sehr wenige Länder konzentriert: in drei Staaten (USA, Frankreich, Japan) stehen 50% aller weltweit betriebenen Atomreaktoren. Atomkraft löst keine Probleme - auch nicht die des Klimawandels. Atomkraft ist Teil des Problems. Teil eines rückständigen Wirtschaftssystems.
Die Österreicher_innen haben sich im Jahr 1978 in einer Volksabstimmung gegen das bereits gebaute Atomkraftwerk Zwentendorf ausgesprochen. 81% der Österreicher_innen lehnen die Zahlungen an die europäische Atomgemeinschaft EURATOM ab! 78% der Österreicher_innen wollen RAUS aus EURATOM - RAUS aus jener Fördergemeinschaft, die nach wie vor Milliarden Euro für die Atomwirtschaft zur Verfügung stellt.
Wir hoffen auf ein Umdenken in der Tschechischen Republik. Auf ein Umdenken der verantwortlichen Politiker. Sie sind es, die die Zukunft Ihres Landes gestalten, die Zukunft Ihrer Kinder vorzeichnen. Es sollte keine Zukunft sein, die atomare Risiken lässig in Kauf nimmt - und radioaktive Abfälle für Jahrtausende hinterlässt.
Roland Egger
Hans-Jörg Horky
Andrea Plötzl
Johanna Hartl
Elke Zorbach
Thomas Gumplmayr
Vorstand atomstopp_atomkraftfrei leben!
Promenade 37
4020 Linz
für weitere Informationen und Rückfragen: Roland Egger + 43 664 421 56 13