SMR noch gefährlicher:
Schrumpfmeiler in Temelin als AKW-Experiment

Im September 2022 wurde von der tschechischen Regierung bekannt gegeben, dass im nur 50 km von der österreichischen Grenze entfernten Temelin neben den zwei bestehenden sowie den weiteren zwei fix geplanten Atommeilern und dem möglichen Standort für ein Atommüllendlager der sogenannte Südböhmische Nuklearpark errichtet werden soll. Auf diesem Experimentiergelände sollen SMRs beforscht und errichtet werden.
SMR steht für „Small Modular Reactor“. Dieser verniedlichende Terminus stellt einen Sammelbegriff für Atomkraftwerke im Leistungsbereich von 1,5 MWe bis 300 MWe dar, während herkömmliche AKWs bis zu 1.600 MWe produzieren.


Die Nuklearindustrie und Regierungen, die weiterhin auf Atomkraft setzen, lancieren diese verkleinerten Versuchsmeiler derzeit massiv. Obwohl in den USA kein einziger dieser Reaktoren läuft und in diesem Jahrzehnt mit Sicherheit nicht laufen wird, lobbyiert der frühere US-Außenminister John Kerry, jetzt Sondergesandter des US-Präsidenten für das Klima, intensiv für diese unerprobte Technologie. So hat er bei der UN-Klimakonferenz COP 27 in Ägypten bekanntgegeben, dass die US-Regierung Europa bei der Umstellung von Kohlekraftwerken auf SMRs unterstütze und in einem Pilotprojekt in der Ukraine mithilfe solcher AKWs Wasserstoff produziert werden soll. Die Idee, ausgerechnet in der Ukraine mit diesen Reaktoren zu experimentieren, ist in einer Zeit, in der das größte Atomkraftwerk Europas im ukrainischen Saporischschja wiederholtem Raketenbeschuss ausgesetzt ist, besonders zynisch.


John Kerrys Vorstoß ist nur ein Beispiel, wie durch weltweites, forciertes Lobbying der Eindruck erweckt werden soll, SMRs seien eine neue, einigermaßen sichere Technologie, mit der massenhaft Strom produzierbar sei. Das widerspricht eklatant der Faktenlage, die zeigt:

Diese Atommeiler können keinen Beitrag zur Klimawende leisten, weil sie...

  • ...noch lange nicht einsatzbereit sein werden

    Die Atomlobby suggeriert, rasch verfügbare, neue Techniken zu entwickeln. Tatsächlich wird daran seit Jahrzehnten – im Bereich der zivilen Nutzung erfolglos – geforscht.
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  • ...nicht in der erforderlichen Stückzahl gebaut werden können

    Mit tausenden bis zehntausenden SMRs müsste die Welt zugepflastert werden, würde man nur die Strommenge ersetzen wollen, welche derzeit in AKWs produziert wird.
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  • ...viel zu gefährlich wären

    Viele tausend Atomkraftwerke, verstreut über die ganze Erde, würden die Gefahr eines Super-GAUs vervielfachen und spaltbares Material enorm weiterverbreiten.

    Die Gefahr eines nuklearen Unfalles wird nicht automatisch kleiner, nur weil ein AKW geschrumpft wird. Trotzdem ruft die Atomlobby schon jetzt nach geringeren Auflagen für diese Reaktoren. So möchte sie etwa auf Notfallplanungszonen außerhalb des Kraftwerksgeländes gänzlich verzichten, ohne glaubwürdig darlegen zu können, wie sich die Folgen eines Unfalles auf das Kraftwerksgelände beschränken sollen.

    Die leidvolle Geschichte der Atomkraft hat gezeigt, dass trotz aufwendiger Sicherheitsmaßnahmen Unfälle passieren, sei es aufgrund menschlichen Versagens wie in Tschernobyl, sei es wegen einer Naturkatastrophe wie in Fukushima oder aus Gründen, an die möglicherweise bislang gar nicht gedacht wurde. Sicher ist allerdings, dass sich mit der weit größeren Anzahl der Reaktoren, von welchen die Atomlobby phantasiert, die Unfallwahrscheinlichkeit proportional erhöht.

    Wenn wie geplant mehrere SMRs an einem einzigen Standort errichtet würden, wäre damit ein großes Risiko verbunden, dass ein Unfall in einem Block auch die anderen Blöcke beschädigt – so wie in Fukushima geschehen.

    Mit der großen Zahl von Schrumpfreaktoren, würden sich auch die Gefahren vervielfachen, welche mit dem Transport der hochgefährlichen Ausgangs- und Abfallprodukte der Atomtechnik verbunden sind. Verschärft werden diese Schwierigkeiten, weil die Nuklearindustrie plant, solche AKWs bei abgelegenen Städten zu installieren. In diese ist nicht nur der Hin- und Rücktransport überaus heikel, auch ein Störfall wäre besonders schwer zu bewältigen.

    Wenn es tatsächlich dazu käme, dass viele tausend Schrumpfreaktoren aufgestellt würden, kämen gefährliche, strahlende Materialien zukünftig in viel mehr Hände. Damit würde einerseits die Gefahr größer, dass weitere Länder zu Nuklearwaffen kämen, anderseits wäre es viel leichter, schmutzige Bomben zu bauen. Auch die Wahrscheinlichkeit würde erhöht, dass Reaktoren in Konflikte und Kriegshandlungen hineingezogen werden.

    Bezeichnenderweise stellt sich im BASE-Forschungsbericht heraus, dass die sicherheitstechnischen Risiken bei der Planung von Schrumpfreaktoren insgesamt weitgehend vernachlässigt werden.

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  • ...viel zu teuer wären.

    Atomstrom kostet schon jetzt ein Mehrfaches von nachhaltig produziertem Strom, mit kleineren AKWs würde er noch viel teuer.
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  • ...noch mehr Atommüll hinterlassen würden

    Weltweit betreibt kein Land ein Endlager für hochradioaktiven Müll, welcher bei der Atomstromproduktion anfällt, denn niemand will diesen viele Generationen lang gefährlichen Abfall.
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Mehr als offensichtlich ist also, dass die Forschung an und die geplante Errichtung von Schrumpfreaktoren keinen positiven Beitrag bei der Verlangsamung der Erdüberhitzung leisten wird. Es sind auch keine relevanten Strommengen zu erwarten.

So bleibt die Frage, warum manche Staaten und die Atomlobby diese verkleinerten Reaktorexperimente gerade jetzt lancieren. Vermutlich soll der Öffentlichkeit suggeriert werden, dass mithilfe einer schönen, neuen Reaktorwelt bald Strom erzeugt wird und bis dahin die – tatsächlich hochgefährliche – Laufzeitverlängerung alter Meiler unerlässlich ist.

Jedenfalls gelingt es der Atomlobby schon jetzt, mit ihren – unhaltbaren – Versprechen gewaltige Mengen öffentlicher Gelder für diese Sackgassentechnologie loszuschlagen.

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Titelbild: Foto (c) Land OÖ, Werner Dedl
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