Wir kennen Europa am besten. - Gespräch mit der Vertreterin der französischen Energiefirma EDF über das Auswahlverfahren zum neuen AKW-Block in Dukovany

05.08.23, Quelle: MF DNES, Sara Mazuchova, Übersetzung OIZP/BIU

Bereits am 2. Oktober müssen die drei Bieter ihre endgültigen Angebote für den neuen Atomblock in Dukovany abgeben.

Am größten und teuersten tschechischen Energieprojekt, dem Ausbau des Kernkraftwerks Dukovany, sind die Franzosen, Amerikaner und Südkoreaner interessiert. Auf der Grundlage der eingereichten Angebote wird entschieden, wer den neuen AKW-Block in Dukovany bauen wird.
Sarah Illouz, Direktorin des französischen Unternehmens EDF, ist für die Vorbereitung des Angebots verantwortlich. Ihrer Meinung nach hat EDF einen bedeutenden Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten - es teilt ein europäisches Umfeld mit der Tschechischen Republik. "Wenn man ein außereuropäisches Unternehmen ist, muss man sich erst einmal mit dem hiesigen regulatorischen Umfeld vertraut machen", sagt Illouz. MF DNES wird nach und nach Interviews mit allen Bietern für den neuen Block in Dukovany veröffentlichen.



Frage: Woran arbeiten Sie derzeit?

-Illouz: Wir müssen Anfang Oktober ein endgültiges Angebot abgeben und befinden uns daher in der Endphase der Vorbereitungen. Wir haben unser erstes Angebot im November 2022 eingereicht und sind jetzt dabei, es zu aktualisieren. Innerhalb der EDF arbeiten mehr als 200 Personen an diesem Projekt. Wir sind dabei, alle technischen und geschäftlichen Teile des Angebots mit unseren Partnern und Lieferanten zu integrieren. Wir bieten den Reaktor EPR1200 an, der sich auf seine traditionellen Lieferanten stützt: Wir arbeiten mit GE Steam Power an der Turbine und mit Framatom, unserer Tochtergesellschaft, am nuklearen Dampfversorgungssystem. Wir arbeiten auch mit Bouygues Travaux Publics zusammen, die für die Bauarbeiten zuständig sein wird, d. h. für Beton, Wände, Gebäude usw. Bouygues arbeitet mit dem tschechischen Partner, Metrostav DIZ, zusammen. All dies muss in einem Angebot zusammengefasst und dem Kunden in einem technischen und kommerziellen Vorschlag vorgelegt werden.


Frage: Haben Sie von der tschechischen Seite eine Rückmeldung auf das erste Angebot erhalten?

-Illoouz: Als die Gesellschaft EDU II unser erstes Angebot erhielt, brauchte sie etwa zwei Monate, um es zu analysieren. Dann hatten wir drei Monate Zeit, es mit dem Kunden zu besprechen. Sie stellten uns viele Fragen, die wir beantworteten, und dann fanden Gespräche, technische und geschäftliche Tagungen mit allen Bietern in Prag und Temelín statt. Während dieses Prozesses hatten wir die Möglichkeit, wichtige Dinge zu klären und die Anforderungen des Kunden besser zu verstehen. Und ich muss sagen, dass wir sehr positiv überrascht waren, wie gut der Kunde vorbereitet ist, wie er unser Angebot studiert hat. Hundert unserer Experten kamen aus Paris in die Tschechische Republik, um alle Fragen des Kunden zu beantworten. Natürlich hatten auch wir viele Fragen. All diese Gespräche, alles, was wir herausgefunden haben, lassen wir jetzt in unsere aktualisierte Fassung des Angebots einfließen.


Frage: Ihr bisheriges Problem war der Bau des Kernkraftwerks in Flamanville, der sich verzögert hat und wahrscheinlich das Dreifache der geplanten Kosten kosten wird. Haben Sie keine Angst, dass Ihnen das Gleiche in der Tschechischen Republik passieren könnte?

-Illouz: Es ist wichtig, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. Wir können nicht leugnen, dass sich der Bau in Flamanville verzögert hat, aber wir müssen berücksichtigen, dass er nach 15 Jahren begonnen hat, als vorher nichts gebaut wurde. Wir haben zum ersten Mal in unserem Leben einen Reaktor auf der Grundlage der EPR-Technologie gebaut, und das nach vielen Jahren ohne ein neues Projekt, als wir gerade dabei waren, Erfahrung und Kompetenz in diesem Bereich zu verlieren. Flamanville hat es uns jedoch ermöglicht, unsere Kapazitäten wieder aufzubauen. Das hat uns dann in die Lage versetzt, das Kernkraftwerk Taiwan in China zu bauen, und wir haben das Projekt Hinkley Point C im Vereinigten Königreich begonnen. Kurz gesagt, wir haben unseren Kurs beim Bau neuer Kernkraftwerke wieder aufgenommen. Wir haben Lehren gezogen, wir haben aus jeder Schwierigkeit Lehren gezogen, die wir jetzt zum Beispiel auf Hinkley Point C anwenden


Frage: Aber auch da hat EdF eine Verzögerung beim Bau...

-Illouz: Das lag vor allem an der Flaute während der Coronavirus-Pandemie. Die britische Regierung hat uns sogar die Genehmigung für ein anderes Projekt, Sizewell C, erteilt, was zeigt, dass sie uns vertraut. Flamanville ist als ein Projekt zu sehen, das der französischen Industrie und der EDF zu neuem Leben verholfen hat. Wir planen sechs neue Blöcke in Frankreich und möglicherweise acht weitere. Vor etwa zwei Wochen haben wir ein sehr wichtiges Genehmigungsverfahren durchlaufen, und wir stehen kurz vor dem Baubeginn des ersten EPR2-Reaktorpaares in Penly. Wir sammeln Erfahrungen, wir lernen - und offen gesagt, wenn man sich die Konkurrenz ansieht, sind wir der einzige Anbieter, der derzeit in Europa neue Atomanlagen baut.


Frage: Ist Ihnen bewusst, dass die Genehmigungsverfahren in der Tschechischen Republik sehr schwierig sind? Dass es mehr als zehn Jahre dauert, nur einen einzigen Windpark zu bauen?

-Illouz: Das ist keine Frage für EDF als Anbieter. Für Lizenzen und Genehmigungen ist der Eigentümer der Atomanlage zuständig, der mit den örtlichen Behörden in Kontakt steht. Wir werden natürlich die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Es ist auch eine Frage des tschechischen Staates, denn Frankreich zum Beispiel möchte das Genehmigungsverfahren so weit wie möglich beschleunigen, weil es eine saubere und billige Stromerzeugung braucht. Die französische Regierung hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das eine schnellere Genehmigung ermöglicht. Ich glaube, dass die tschechische Regierung auch etwas Ähnliches in Erwägung zieht.


Frage: Der tschechische Staat geht davon aus, dass der Bau eines fünften Reaktors in Preisen von 2020 etwa sieben Milliarden Euro kosten wird. Ist das Ihrer Meinung nach realistisch, wenn man bedenkt, dass im letzten Jahr im Grunde alles teurer geworden ist?

-Illouz: Es ist schwierig für mich, diese Frage zu beantworten, da es sich um sehr sensible Geschäftsinformationen handelt, zu denen ich mich nicht äußern kann. Aber Sie haben Recht, dass die Materialpreise auf dem Markt gestiegen sind. Aber das ist nicht der einzige Faktor, den man berücksichtigen muss. Es gibt keinen einheitlichen Preis für einen bestimmten Reaktor. Er hängt von dem Land ab, in dem das Projekt gebaut wird, von den örtlichen Vorschriften, vom Kunden - wenn er bestimmte Elemente des Projekts benötigt. Er hängt zum Beispiel auch von den Eigenschaften des Standorts ab, an dem der Reaktorblock gebaut werden soll, ob der Boden geeignet ist und so weiter. Aber ich denke, es geht nicht nur um diesen einen Preis, sondern um das Gesamtbild dessen, was alles man für diesen Preis bekommt.


Frage: Was würde die Tschechische Republik also im Falle des EPR1200-Reaktors kaufen?

-Illouz: Wir bieten eine gute Technologie, die sich bewährt hat und auf europäischen Vorschriften beruht. Wir sind Europäer und wir kennen Europa. Wenn man ein außereuropäisches Unternehmen ist, muss man sich erst einmal mit dem hiesigen Regelwerk vertraut machen. Wir bieten auch genau das an, was der Kunde will, den so genannten EPC-Vertrag. Das bedeutet Engineering, Bereitstellung der gesamten Ausrüstung, Bau, Inbetriebnahme und Brennstoffversorgung. Der Kunde will ein Unternehmen, das alles komplett integrieren kann, und das können wir, und wir brauchen kein weiteres Unternehmen, um das zu tun. Unsere Stärke sind auch unsere Beziehungen zur lokalen Lieferkette. Das ist für die Tschechische Republik sehr wichtig, wie für jedes andere Land auch, denn jedes Land möchte Geschäftsmöglichkeiten für seine heimischen Unternehmen schaffen. Wir binden die tschechische Lieferkette sehr aktiv ein. Das ist nicht nur ein Versprechen, sondern wir haben den Beweis dafür. Im Vereinigten Königreich haben beispielsweise beim Bau von Hinkley Point C britische Unternehmen 64 Prozent des gesamten Auftragswerts erhalten. Dies bringt dem Vereinigten Königreich eine Reihe direkter wirtschaftlicher Vorteile, aber auch soziale Vorteile, denn es werden nicht nur Arbeitsplätze geschaffen. Wir wissen, dass wir der Tschechischen Republik dasselbe bieten können. Wir sind seit dem Jahr 2016 hier tätig und haben in dieser Zeit bereits alle tschechischen Unternehmen identifiziert, mit denen wir beim Kernkraftwerk zusammenarbeiten können. Das sind etwa 300 Unternehmen. Mit etwa 80 von ihnen haben wir bereits die Bereiche und Tätigkeiten festgelegt, die sie für uns ausführen können. Wir haben uns ihre Fabriken angesehen, wir kennen ihre Standards, wir haben Memoranden und Vereinbarungen mit ihnen unterzeichnet. Und da wir uns in Europa befinden, ist es für tschechische Unternehmen nicht schwierig, sich an unsere Kodizes und Normen anzupassen.


Frage: Aber tschechische Unternehmen beschweren sich, dass keiner der drei Bieter richtig mit ihnen kommuniziert. Sie beschweren sich darüber, dass Sie mit ihnen keine spezifischen Verträge für den Block 5 in Dukovany abschließen.

-Illouz: EDF kann keine konkreten Verträge mit Unternehmen unterzeichnen, wenn es noch nicht weiß, dass es der bevorzugte Bieter ist. Wie könnten wir uns zu irgendetwas verpflichten, solange wir nicht ausgewählt sind? Dies kann nicht als böser Wille unseres Unternehmens gewertet werden, sondern ist einfach durch das Verfahren bedingt. Ich möchte Ihnen jedoch ein Beispiel nennen, das sich auf Bauarbeiten bezieht. Unser wichtigster Partner in dieser Hinsicht ist Boygues, das dem tschechischen Unternehmen Metrostav DIZ ein Joint-Venture-Abkommen vorschlagen wird. Um dies zu ermöglichen, arbeiten die beiden Unternehmen eng zusammen, und wir haben einige der Vorschläge von Metrostav DIZ in unser Angebot aufgenommen. Wenn wir also den Zuschlag erhalten, werden alle Bauarbeiten teilweise tschechisch und teilweise französisch sein. Ein weiteres wichtiges Unternehmen für uns ist Skoda JS, das an der Lieferung für Hinkley Point C beteiligt ist, was ein klarer Beweis dafür ist, dass wir tschechische Unternehmen an Projekten außerhalb der Tschechischen Republik beteiligen. Wir kommunizieren mit der tschechischen Energieallianz und haben deren Vertreter und Unternehmen zu einer Besichtigung der französischen Werke mitgenommen. Wir arbeiten mit der Firma Sigma zusammen, die Pumpen liefert. Wir wollen auch, dass ein tschechisches Unternehmen den Kühlturm in Dukovany baut; wir verhandeln mit Reko Praha, um herauszufinden, ob dies möglich wäre.
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