Mit verbundenen Augen über Energiewirtschaft entscheiden?

Obwohl sich die Pläne für Atomreaktoren immer wieder verzögern und ins Stocken geraten, halten die Politiker an ihnen fest. Doch bei der Ausarbeitung eines neuen Energiekonzepts, mit dem das Land den Kurs für das nächste Jahrzehnt festlegen soll, muss eine rationale Vorgangsweise verfolgt werden. Ich möchte die Tschechische Republik keineswegs mit Ozeanien im Orwells Roman 1984 vergleichen. Doch auch in der Dystopie des Romans galt, dass in Wissenschaft und Technik das Ergebnis der Summe von zwei und zwei nicht aus dem Willen der Partei, sondern nach mathematischen Regeln abgeleitet wurde. Und gerade weil unsere Realität demokratisch ist, erwarte ich, dass auch hier zwei plus zwei gleich vier sein wird. Also wir werden die Überlegungen, wie viele und wann neue Kernreaktoren in Betrieb genommen werden sollen oder nicht, erst einmal beiseite lassen. Wir werden mit Hilfe mathematischer Modelle den technisch machbaren und wirtschaftlich effizienten Weg finden, um den Energiebedarf unseres Landes zu decken und uns gleichzeitig so schnell wie möglich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Hauptursache für die Klimakrise sind.

Ein unzuverlässiger Zeitplan
Bislang sieht es leider nicht danach aus. Als Vertreter von Umweltorganisationen in der von der Regierung einberufenen Plattform für Energie- und Klimastrategien stelle ich fest, dass in zwei der Szenariobriefe Kernreaktoren als Input für die Modellierung enthalten sind. In einem Fall sind es zwei, im anderen sogar vier neue Reaktoren. Außerdem wird im zweiten Szenario fest davon ausgegangen, dass der erste (kleinere) Reaktor im Jahr 2035 und die großen Reaktoren in den Jahren 2036, 2039 und 2041 ans Netz gehen werden. Dies wird mit ziemlicher Sicherheit nicht der Fall sein, aber der Modelloutput wird es berücksichtigen. Der unzuverlässige Zeitplan ist jedoch nicht das einzige Problem. Die Szenarien des Energiekonzepts gehen von Investitionskosten für Kernreaktoren aus, die weit unter dem liegen, was CEZ öffentlich angekündigt hat, ganz zu schweigen von den Kosten für den Betrieb von Projekten in der Europäischen Union. Die Szenarien gehen auch von niedrigen Kreditkosten aus. Die Politiker können so einen Vorschlag auf den Tisch bekommen, der nicht nur zeitlich unrealistisch ist, sondern auch ein falsches Preisschild hat.
Im Falle der erneuerbaren Energien ist der Zugang in den Szenarienvorgaben genau das Gegenteil. Ihre Entwicklung wird von oben her gedeckelt - es werden Höchstwerte in den Modellierungsauftrag eingegeben, die nicht überschritten werden können, selbst wenn es wirtschaftlich und technisch machbar ist. Und es ist das Szenario mit hohem Anteil der Kernkraft, das zu niedrige Obergrenzen für erneuerbare Energien vorsieht. Die Arbeit mit den wirtschaftlichen Faktoren der Kohleverbrennung beispielsweise zeigt jedoch, dass ein rationaler Ansatz möglich ist. Und ich persönlich bin sehr froh über die Veränderung im Vergleich zur Kohlekommission, in der wir Modellierungsergebnisse mit unrealistisch niedrigen Schätzungen des Preises für eine Emissionsberechtigung auf den Tisch bekommen haben und wo eine sinnlose Debatte über die Kohleverbrennung bis zum Jahr 2038 oder sogar noch länger geführt wurde. Jetzt ist allen dank fundierter Daten klar, dass die Kohle wahrscheinlich noch vor dem Jahr 2033 zu Ende geht, und wir überlegen, was wir damit tun können.

Fundierte Modellierung
Die tschechische Regierung verfügt inzwischen über eine sehr fundierte Modellierung des Energiesystems, und das Funktionieren des Systems wird durch weitere Modellierungen des Energienetzbetreibers CEPS überprüft. Es wäre wirklich gut, dies zu nutzen und die Ergebnisse nicht durch absichtlich beeinflusste Eingaben zu entwerten, die in ein paar Monaten, wenn die Ergebnisse der Dukovany-Ausschreibung veröffentlicht werden, nicht mehr geglaubt werden. Oder wollen einige der Minister und Ministerinnen mit verbundenen Augen entscheiden?