Experte: Tschechien sollte sich nicht auf die neue Atomquelle verlassen, ihr Bau ist nämlich teuer und unsicher. Wir brauchen einen Ersatzplan

02.11.21, Quelle: euractiv.cz

Falls es beim Bau des neuen Atomblocks zu Problemen kommen würde, kann es das Rating der Tschechischen Republik gefährden. Ähnliche Risiken sind aber gar nicht ein Bestandteil der Debatte, warnt im Gespräch für Euractiv.cz Oldrich Sklenar.

Oldrich Sklenar ist ein Analytiker des Forschungszentrums AMO, wo er das Mitglied des Klimateams ist. Er beschäftigt sich mit der Problematik der Energiewirtschaft und Produktion der Treibhausgase. In seiner neuen Studie beschäftigt er sich mit den Baukosten des neuen Atomblocks in Dukovany.

-Frage: Ihre Studie beschäftigt sich mit den Baukosten des neuen Blocks in Dukovany. Wieviel wird er Ihrer Meinung nach kosten?

-Sklenar: In meiner Arbeit will ich darauf aufmerksam machen, dass wir nicht nur den Preis für den Reaktor selbst sehen dürfen. Wenn ich von der Aussage des Industrieministeriums herauskomme, bewegt sich der Preis zwischen 150 und 160 Milliarden Kronen. Ich behaupte aber, dass aufgrund der Aussage der Experten und Erfahrungen aus dem Ausland, es bedeutend mehr sein wird. Der Preis wird sich zwischen 250 und 300 Milliarden Kronen bewegen, und das noch ohne Einberechnung der heutigen Eskalation der Baumaterial - Preise, die es noch bedeutend erhöhen können.

Der nächste Beschluss ist, dass es eine große Menge von Kosten gibt, die bis jetzt gar nicht diskutiert wurden, obwohl sie die öffentlichen Budgets belasten werden. Konkret handelt es sich um die Kosten, die mit dem Bau der Infrastruktur verbunden sind, mit den Verkehrsbauten, die umgesetzt werden müssen. Die weiteren Kosten werden mit der Ausführung der Leistung ins Netz verbunden sind. Worin aber die Atomkraftwerke eine Exklusivität haben, ist die Tatsache, dass sie zu den am besten überwachten Zivilobjekten gehören. Sind sind potenzielle Ziele der Terror,-oder Militärattacken, und deswegen muss man relativ hohe Kosten für ihren Schutz ausgeben. Und dann ist hier die Problematik der Betriebsbeendigung und der Lagerung des Atomabfalls, die für Hundert Tausende Jahre gesichert werden muss.

-Frage: Auf der anderen Seite kann die Atomkraft mit der De-Karbonisierung der tschechischen Energiewirtschaft helfen, also es ist offensichtlich eine Investition, die Tschechien machen muss....

-Sklenar: Ja, im Bereich der Energiewirtschaft müssen wir die Kohlenstoff-Aufwändigkeit reduzieren. Die Kohlekommission hat empfohlen, dass wir die Kohle im Jahre 2038 verlassen, gemäß der Internationalen Energieagentur sollen wir es früher machen. Das kann auch aus ökonomischen Gründen passieren. Wir haben also eine eingeschränkte Zeit und eingeschränkte Mittel. Der neue Atomblock kann aber zur De-Karboniesierung im Sinne des Ersatzes der vorhandenen Kohlequellen nicht beitragen, und das aus zwei Gründen. Erstens ist es aus den Zeitgründen, da es zum Betriebsstart des neuen Atomblocks erst nach dem Jahr 2036 kommen soll, wobei wir die Kohle früher verlassen müssen. Die Erfahrungen zeigen außerdem, dass es sehr problematisch ist, die Termine beim Bau einzuhalten. Damit kämpfen im Grunde alle. In einigen Fällen macht die Verzögerung beim Bau auch mehr als 10 Jahre.

Die Atomkraft ist zusammen mit der kosmischen Technik das komplizierteste technische Werk, der der Mensch bis jetzt erstellt hat. Der vor kurzem veröffentlichte Bericht über den Zustand der Atomkraft 2021 zeigt dabei, dass die Kernkraft in Regression ist. Wir geraten in Situation, wann es zu weiteren Verzögerungen wegen des Zerfalls der Lieferketten kommen kann.

Der zweite Grund ist die Leistung. Im Falle des neuen Dukovany - Blocks soll die Leistung 1.200 MW machen. Die installierte Leistung der Kohlekraftwerke machte dabei noch im vergangenen Jahr fast 10.000 MW. Der neue Block kann uns also mit der De-Karbonisierung nicht viel helfen, ohne Rücksicht darauf, dass wir auch einen Ersatz oder eine eventuelle Betriebsverlängerung der vorhandenen Blöcke in Dukovany lösen werden müssen. Außerdem wissen wir alle, mit welchen Problemen der Bau von infrastrukturellen Projekten in Tschechien verbunden ist und es wäre naiv zu denken, dass es mit dem Bau eines Atomblocks anders wäre. Ich kann in diesem Zusammenhang an das Projekt der Wärmeausführung aus Temelin erinnern. Der Baulieferant machte Pleite, die Wärmeleitung ist immer noch nicht im Betrieb.

-Frage: Aber zurück noch zum Preis des Projektes. Falls die Kosten zweifach so hoch wären als die Abschätzungen des Industrieministeriums, was würde es für Tschechien bedeuten?

-Sklenar: Gemäß des letzten Vorschlags soll der Staat 100% der Finanzierung bereit stellen und so nimmt er Staat alle Garantien für den Bau dieses Atomblocks an sich, damit auch alle Risiken. Angesichts zu dieser Art der Finanzierung wird aus Sicht der internationalen Rating-Agenturen diese Investition zum Bestandteil der Staatsschuld. Eine ähnliche Investition in die Infrastruktur wäre sinnvoll, wenn es sich aber nicht um etwas so problematisches handeln würde wie die Atomkraft. Ich mache also darauf aufmerksam, wenn es beim Bau zu irgendwelchen Problemen käme, kann es das Rating der Tschechischen Republik gefährden. Es würde es nämlich um einen Kredit handeln, den der Staat bereit stellen würde, aber es würde sich zeigen, dass er nicht unter den Bedingungen bezahlt wird, wie wir ursprünglich erwartet haben. Diese Risiken sind überhaupt nicht ein Bestandteil der Debatte.

Ich will hier die Debatte davon unterstützen, unter welchen Bedingungen der Bau des neuen Blocks sinnvoll wäre und unter welchen Bedingungen wir eine Ersatzvariante lösen sollen. Wenn wir uns die möglichen Szenarien der Kohlekommission oder der Gesellschaft CEPS anschauen, ein dieser Szenarien arbeitete damit, dass es zur Inbetriebnahme des neuen Atomblocks gar nicht kommt. Das Industrieministerium hat aber dieses Szenario ausgeschlossen, womit ein Signal gegeben wurde, dass nur Szenarien mit dem Bau des neuen Blocks überlegt werden sollen.

-Frage: Über den Bau der neuen Atomquelle herrscht eine Übereinstimmung im ganzen politischen Spektrum, wobei nicht einmal die Gesellschaft gegen diese Vorhaben austritt - möglicherweise aus diesem Grund wird es mit der neuen Atomquelle in allen Szenarien gerechnet...

-Sklenar: Ja, die Atomkraft hat bei der tschechischen Öffentlichkeit eine starke Unterstützung.
Und die Autoren des aktualisierten Staatsenergiekonzepts, statt alle Möglichkeiten zu überprüfen, haben in den Beschlüssen des Energiekonzepts ihre eigene Meinung unterstützt, dass die Kernkraft den einzigen Weg darstellt. Aus der technologischen Sicht war es aber keine gute Wahl. Die Dämpfung der Kohle werden wir jetzt teilweise mit dem Gas lösen müssen, was ihre geopolitischen Konsequenzen hat. In Europa erleben wir dabei ein Boom im Bereich der erneuerbaren Energieträger und die Kosten für die Stromproduktion aus den Erneuerbaren sinken bedeutend. Wobei sich die Preise bei den erneuerbaren Energieträgern verringern, bei den fossilen Quellen haben die Preise eine steigende Tendenz.

Ich sage nicht, dass die erneuerbaren Energieträger die einzigst richtige Lösung darstellen, dort kommt es wieder zu Problemen mit der Energiespeicherung und die Stabilität des Stromnetzes. Ich will da vor allem darauf aufmerksam machen, dass die Kernkraft nicht den einzigen Weg darstellen muss. Falls es zu Problemen kommt und die Quelle nicht in Betrieb geht, müssen wir einen Ersatzplan haben.
/gr/ Gabi Reitingerova
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